Montag, 4. November 2013

Araucarien in Weilmuenster

Mit dem Bau der schloßähnlichen Wohnanlage mit zum damaligen Zeitpunkt modernen, kleinstädtischen Selbstversorgungsstrukturen zwischen 1893 und 1910 im Förch-Wald östlich Weilmuensters in unmittelbarer Nachbarschaft der ehemaligen Audenschmieder Buderus-Eisengießerei, die im Verlauf ihrer wechselvollen Geschichte bisher unter anderem als Wohnanlage, Sanatorium, Landesheilanstalt, Kriegsgefangenenlager, Alliiertes Verhörzentrum, Neurologische Klinik, Psychiatrie, Irrenhaus, Erholungsheim, Landwirtschaftlicher Betrieb und Reitsportferienanlage genutzt wurde, erfolgte auch die Anlage einer großzügigen Parkanlage im Stile fürstlicher Gärten wie derer zu Braunfels, Weilburg und Bad Homburg. So ist das Vorkommen zu diesem Zweck aus Nordamerika, Südeuropa und Ostasien importierter Baumarten, die für viele Taunusgemeinden noch eine seltene Ausnahme darstellen, in Weilmünster und seiner näheren Umgebung nichts außergewöhnliches. (Siehe: Die Mammutbäume Weilmünsters).

Mit dem Zusammenwachsen des Ortes und des Sanatoriums hielten so ursprünglich nicht "einheimische" Pflanzenarten Einzug in die immer großzügiger angelegten Gärten der Wohnhäuser und erfreuten sich dort wachsender Beliebtheit. Demgegenüber ist der Einzug der Araucarien von der Südhalbkugel des Planeten Erde in das gärtnerisch gestaltete Landschaftsbild des Ortes Weilmünster auf die letzten 40-45 Jahre beschränkt. Zimmertannen der bereits oben erwähnten Art Araucaria heterophylla waren zwar schon länger bekannt, sind aber für ein Auspflanzen ins Freiland bzw. das Überwintern nicht geeignet. So isind, selbst wenn es in botanischen Gärten anderenorts in Deutschland ältere Araucarien geben sollte, die am höchsten aufgewachsenen Chilenischen Andentannen in Weilmünster erst in den 60er-70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts angepflanzt worden.



Einer der ältesten Araucarien-Bäume des Ortes, gepflanzt etwa 1965-1970
Weilmünster, 6. November 2013

Unbestrittenermaßen wurde in der zweiten Hälfte der 60er Jahre im Hauptort Weilmünster eine Anzahl Auraucarien mehr oder weniger simultan gepflanzt, nachdem diese von Weilmünsterer Bürgern in der Gärtnerei der Benediktiner-Abtei Kloster Maria Laach in der Eifel entdeckt und mitgebracht worden waren. Dies führte in der Folge zur Anpflanzung von Bäumen derselben Herkunft auch in anderen Ortsteilen der Großgemeinde. Die Abtei Maria Laach betreibt neben landwirtschaftlichen Betrieben und touristischen Einrichtungen am Vulkan-Maar des Klostergutes auch handwerklich-künstlerische Ateliers wie Buchwerkstatt, Verlag, Bildhauerei, Kunstschmiede, Schreinerei, Glockengießerei sowie eine Gärtnerei. Hierhin gelangte in den 50er-60er Jahren auch Araucarien-Saatgut bzw. Keimlinge, die dort aufgezogen und verteilt wurden.

Im Hauptort Weilmünster wachsen gegenwärtig mindestens noch 3 Araucarien dieser Generation, wobei eine Pflanze in der Sudetenstrasse im Jahr 2012 zwar gefällt wurde, doch deren Wurzelstock noch intakt geblieben ist, was die Hoffnung auf die Ausbildung von neuen Wurzelsproßen im Jahr 2014 offenhält. Die beiden anderen Bäume sind weiblich und bildeten in den vergangenen 2-3 Jahren erstmals Fruchtzapfen aus.



Fruchtzapfen einer der beiden weiblichen, 40-jährigen Araucarien Weilmuensters.
Weilmuenster, 6. November 2013.



Wie schon erwähnt ist das natürliche Wachstum der Araucarien für Bäume extrem langsam. Um ein Keimpflänzchen von ca. 2,5 Zentimetern Größe zu entwickeln benötigt ein Araucarien-Samen zuerst 2-3 Jahre. Dies begründet, daß der Neuaufwuchs an natürlichen Standorten in den Anden nur Erfolg hat, wenn die direkte Umgebung der Pflanze vollkommen ungestört bleibt und nicht beim Sammeln heruntergefallener Früchte zertrampelt wird. In den ersten Jahren ist das Höhenwachstum der Bäume minimal und beträgt nur venige Zentimeter pro Jahr. Ab einem Alter von 10-15 Jahren sind dann - je nach Standort, Sonnenlichtbestrahlung, Regenwassermenge, Tiefgründigkeit des Bodens und Bodenbeschaffenheit - jährliche Höhenzuwachsraten von bis zu 30 cm möglich.



Etwa 45-jährige Araucarie aus der Gärtnerei der Benediktiner Abtei Maria Laach
Weilmünster, 6. November 2013



Die aktuelle Wuchshöhe der beiden ältesten, jetzt etwa 45 Jahre alten Bäume beträgt im November 2013 etwa 8 Meter. Die Pflanzen sind noch vollständig von der Krone bis zum Boden beastet, mit der Einschränkung, daß bei dem in einem schmalen Vorgarten wachsenden Baum die untersten, über die Gartenmauer auf das Trottoir reichenden Äste wegen der Gefährdung der Passanten und im Garten spielender Kinder gestutzt werden mußten. An natürlichen Standorten in Chile ist zu beobachten, daß ältere Bäume nur noch in der Kronenregion Äste tragen. Ob das Abwerfen von Ästen der unteren Stammregion natürlich ist oder Folge der organisierten Beerntung der Pflanzen, ist hier unbekannt.



13-jährige Araucarie, die aus im Jahr 2000 aus Chile mitgebrachten Samen herangezogen wurde.
Weilmünster, 6. November 2013


 
Seit der Jahrtausendwende werden junge Araucarien-Pflanzen in Deutschland zu noch erschwinglichen Preisen in Baumärkten oder im Internethandel angeboten. Dort können von Chile-Reisenden auch keimfähige Samen oder Keimpflänzchen erworben werden.  Die in Gärtnereien angebotenen Pflanzen aus Baumschulen, die bereits Wuchshöhen von 30-50 Zentimetern erreicht haben, sind deutlich teurer und kosten bereits bis zu 100,-- Euro. Wenige Meter hohe Araucarien aus Gärtnereien sind nicht unter 1000,-- Euro zu finden. 
 
Die Baumarkt-Araucarien erfreuen sich großer Beliebtheit und sind im letzten Jahrzehnt in zahlreichen Gärten des Ortes neu angepflanzt worden. Dabei durchlaufen diese Pflanzen beim Einsetzen an dem neuen Standort bis zum Einwurzeln in den Boden eine kritische Phase, in der sie besonders empfindlich sind und intensiver gärtnerischer Pflege bedürfen. Die Jungpflanzen müssen stark bewässert werden und sind in den ersten Wintern vor Frost zu schützen. Manche dieser Araucarien haben sich in den letzten 8-10 Jahren erfreulich und erstaunlich gut und schnell entwickelt, während eine Reihe kleinerer Bäume in der Weil zugewandten Hausgärten an der Weilstrasse während der starken Fröste der Jahre 2010-2012 den Standortwechsel nicht überstanden haben.
 



8-jährige Araucarie aus einem Weilburger Baumarkt, die die riskante Anpflanzphase gut überstanden hat
Weilmünster, 6. November 2013



Vermutlich etwa 15-20 jährige Araucarie unbekannter Provenienz.
Weilmünster, 6. November 2013


Die erfreulich große Zahl gut gedeihender Araucarien in Weilmünster zeigt, daß die klimatischen Bedingungen in der Mittelgebirgsregion Taunus geeignet für die Anpflanzung dieser ungewöhnlichen Baumart sind. Somit wäre es auch vorstellbar, daß bei der Anpflanzung einer größeren, zusammenwachsenden Baumgruppe in Form eines Araucarien-Arboretums eine Experimentalpflanzung zur Aufzucht vermehrungsfähiger Bäume geschaffen werden könnte, dies allerdings nicht aus forstwirtschaftlichen Gründen. Opfer des Raubbaues an den chilenischen Araucarien wurden dort in der Vergangenheit hauptsächlich hohe Bäume  im Alter von etwa 500 Jahren. Dies würde die gegenwärtig üblichen Forstplanungszyklen deutlich übersteigen. 
 
Ein Araucarien-Arboretum am Standort Weilmünster könnte dahingegen 2 Zwecke verfolgen. Zum einen bestünde die Möglichkeit zu studieren, ob ein flächiger Araucarienwald in Hessen vermehrungsfähiges Saatgut hervorbringen kann. Beim hohen Preisgefüge für diese Pflanzen wäre dies ein interessanter ökonomischer Aspekt. Zum Zweiten könnte im Rahmen eines Araucarienwaldprojektes die Ernte und medizinische Nutzung des Araucarienharzes als Heilwirkstoff für Hauterkrankungen erprobt werden. Selbst bei nicht realisierbaren Vermehrungsversuchen hätte der Wald somit einen besonderen Wert als Quelle für Naturheilmittel. Zudem wäre eine solche botanische Anlage mit Sicherheit eine Touristenattraktion und somit wertvoll für Weilmünster.
 
Besonders geeignet erscheinen für die Anlage eines Araucarienwaldes ehemalige Bergbaustätten auf dem Gemeindegebiet, insbesondere nicht mehr in Betrieb befindliche Steinbrüche (Krekel) oder ehemalige Schieferhalden (Mehlbachtal, Langhecke). Im weiteren Umland Weilmünsters böten sich auch die sonnenbeschienenen, felsigen Steilhänge des Lahntales zwischen Weilburg und Runkel  für die Anlage eines Araucarien-Arboretums an.
 
 
 
 
Ast einer ca. 40-jährigen Araucarie im Winter 2012-2013
Weilmünster, 23. Januar 2013
 
 
 
 
 
 Literatur
 

Araucaria araucana - Wikipedia (deutsch)  
http://de.wikipedia.org/wiki/Chilenische_Araukarie

Araucarien in "Chile Bosque" (spanisch)
http://www.chilebosque.cl/tree/aarau.html

Winfried Golte (1993):
Araucariensamen als Nahrungsgrundlage. Eine kulturökologische Konvergenz dreier Erntevölker in Südamerika und Australien. ERDKUNDE, Bd. 37 / 1983. S. 227-236.l

Ohne Literaturangabe:
Drogenhandbuch. Naturstoffe. Kopale.

Pilger, R. (1926):
Araucariaceae. In: Engler, A. Hrsg. (1926): Die natürlichen Pflanzenfamilien. 2. Auflage, Bd. 13. Gymnospermae. Leipzig. S. 249-266

Rechene, Cristina (2002):
Los Bosques de Araucaria araucana en Argentina. CIEFAP. Esquel. Chubut. Argentina. Universidad Técnica de Munich. Freising. Alemania.

Rechene, Cristina y José Bava (2003):
Los bosques de Araucaria araucana en Chile y Argentina. Estudios Silvícolas y propuestas para su conservación y uso en Argentina. Programa de Apoyo Ecológico (TÖB). Deusche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH. Eschborn. Alemania.

Rechene, Cristina et al (2004): 
Conservación de los Bosques de Araucaria. Guía de difusión. Programa de Apoyo Ecológico (TÖB – GTZ). Eschborn, Alemania

Rechene, Cristina (2007):
Pers. Komm.

Hueck, Kurt (1978):
Los Bosques de Sudamerica. Schriftenreihe der GTZ. Eschborn. 476 S.

Herrmann, Thora Martina (2003):
Knowledge, values and management of the Araucaria araucana forest by indigenous mapuches pewenche communities of the IX region in the chilean andes. Dissertation. Verlag im Internet GmbH. Berlin 
 
 
 
Nachtrag
vom 4. Dezember 2013

Im vorangehenden Artikel wurde festgestellt, daß die in Deutschland wachsenden, vermehrungsreifen Araucarien keine fertilen Früchte produzieren bzw. deren Einzelfrüchte hohl und ohne den eßbaren "Pinienkern" bleiben. Als Grund hierfür wurde angenommen, daß selten männliche und weibliche Bäume unmittelbar nebeneinander gepflanzt werden und somit die Möglichkeit einer gegenseitigen Befruchtung gering bleibt. Möglicherweise gegenläufige Erkenntnisse aus Experimentalpflanzungen von Araucarien in Deutschland lagen zumindestens bis heute noch nicht hier vor.

Nun wurde beim Besuch einer Araucarienbaumgruppe am 3.12.2013 im Arboretum zwischen Bad Schwalbach, Sulzbach und Eschborn westlich von Frankfurt eine größere Zahl von Früchten mit Kernen neben großen Mengen kernloser Einzelfrüchte unter den Bäumen gefunden. Es handelt sich bei der Araucariengruppe um 4 eng nebeneinanderstehende Andentannen, von denen 2 schätzungsweise 25 jährige Bäume weiblich und 1 Baum männlich sind, ein weiterer, deutlich später dazu gepflanzter Jungbaum ist vermutlich noch nicht viel älter als 10 Jahre und ist bisher nicht erkennbar sexuell ausdifferenziert.



Araucarien-Baumgruppe im Arboretum westlich Frankfurt am 3.12.2013



Wegen des geringen Pflanzabstandes der 4 Einzelbäume, deren Stämme in einem Abstand von ca. nur jeweils 3 Metern nebeneinander gepflanzt wurden, kommt es zum direkten Kontakt der Araucarienäste untereinander. Dies bildet möglicherweise die entscheidende Voraussetzung für eine erfolgreiche Verbindung der männlichen Blütenstände mit den weiblichen Fruchtzapfen. Letztere waren noch in Resten der diesjährigen Fruchtstände an den Ästen des am weitesten Weg-abgewandten Baumes erkennbar. Leere Einzelfrüchte aus den Zapfen lagen in großer Zahl unter diesem Baum. 




Blühende und fruchtende Araucarien-Baumgruppe im Arboretum



Der in der Mitte der Vierer-Gruppe wachsende, reife männliche Baum trug zahlreiche trockene Blütenzapfen aus dem vergangenen Jahr 2013. Die neuen Ansätze der nächstfolgenen Blütenzapfen sind im Dezember 2013 bereits kräftig ausgebildet und noch weitaus zahlreicher als die diesjährigen Blütenstände.



Im Dezember 2013 gelblich-hellgrüne heranwachsende Blütenzapfen neben trockenen Blütenzapfen aus der abgelaufenen Vegetationsperiode.






Im Dezember 2013 gelblich-hellgrüne heranwachsende Blütenzapfen neben trockenen Blütenzapfen aus der abgelaufenen Vegetationsperiode.




Frischer Araucarien-Blütenstand am 3. Dezember 2013



Direkt unterhalb des Areales, wo sich die Äste der blühenden männlichen Araucarie mit den Ästen des Weg-abgewandten, weiblichen Baumes ineinander verweben, wurden am 3.12.2013 insgesamt 22 fruchttragende Einzelfrüchte vom Boden aufgesammelt, die dicht beieinander in der grasigen Vegetation lagen, so daß zu verrmuten ist, daß alle reifen und somit theoretisch auch keimfähigen Früchte aus einem einzigen Fruchtzapfen stammten. Eine geöffnete Einzelfrucht enthielt einen blaßgelb-weisslichen "Pinienkern" von ca. 2 cm Länge, dessen relativ weiches Fruchtfleisch sich leicht zerkauen ließ und angenehm schmeckte.











Die Abmessungen eines von der Schale befreiten Araucarien-Kernes sind 4,5 cm in der Länge, in der Breite 1,5 cm und in der Höhe 0,8 cm.










Die erfreulich starke Blütenentwicklung an der männlichen Araucarie im Dezember 2013 läßt erhoffen, daß sich im Jahre 2014 in den Fruchtzapfen des weiblichen Baumes eine noch größere Zahl reifer und keimfähiger Araucarien-Kerne entwickeln werden. Die theoretische Möglichkeit einer anthropogenen Einflußnahme auf die Präsenz der kerntragenden Samen unter den Bäumen - etwa zur experimentelle Saatgutvermehrung - kann zwar nicht vollständig ausgeschlossen werden, die Wahrscheinlichkeit, das heimkehrende Chile-Reisende ihre botanischen Urlaubsmitbringsel im Arboretum ausgestreut haben ist aber sehr gering, denn die wertvollen Früchte würde niemand einfach so wegwerfen.






 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen